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Einwanderungspolitik auf neuer Spur

Im Blickpunkt
Von Dr. Heino Klingen

26.09.2018

„Deutschland ist kein Einwanderungsland.“ So steht es im Koalitionsvertrag von CDU und FDP aus dem Jahr 1982. Über Jahrzehnte prägte diese Haltung den Umgang mit Migranten in unserem Land. Aus Angst vor Überfremdung, anderen Kulturen und „Durchmischung“ (Edmund Stoiber) weigerte sich vor allem die Union, anzuerkennen, dass Deutschland längst ein Einwanderungsland geworden war. Und dies trotz mehr als 4,5 Millionen Ausländern, die damals in der alten Bundesrepublik lebten. Ohne diese Lebenslüge wären uns wahrscheinlich so manche Auswüchse am rechten Rand unserer Gesellschaft erspart geblieben. Doch jetzt tut sich was. Spät, aber besser jetzt als nie. Mitte August legte die Bundesregierung erste Eckpunkte für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz vor. Wenn es gut läuft, woran nach Abstimmung zwischen dem Innen-, Wirtschaftsund Arbeitsministerium kaum Zweifel bestehen, soll das Gesetz bis Ende des Jahres ausgearbeitet und spätestensnächsten Sommer verabschiedet werden.Damit wird es dann auch offiziell:Deutschland ist und will Einwanderungsland sein.


Zuwanderung als Chance

Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis das jeder bei uns verinnerlicht. Aber mit dem Gesetz steigen die Chancen, dass Migranten künftig eher als willkommene Neubürger betrachtet werden statt als unerbetene Belastung. Denn das neue Gesetz enthält eine unmissverständliche Botschaft an die Bevölkerung: Wir brauchen ausländische Fachkräfte, um unseren eigenen Wohlstand langfristig sichern zu können. Bundesweit, vor allem aber im Saarland, wo dem Arbeitsmarkt bis 2035 rund ein Viertel weniger Personen im erwerbsfähigen Alter zur Verfügung stehen werden. Auch bei bestmöglicher Mobilisierung aller vorhandenen Potenziale im Inland werden wir diese Arbeitskraftlücke nicht schließen können. Ergo: Zuwanderung ist heute weit mehr als nur eine Chance, sie ist notwendig und unabdingbar. Von den jetzt vorgelegten Eckpunkten ist vor allem die Gleichstellung von Arbeitnehmern mit qualifizierter Berufsausbildung aus Nicht-EU-Ländern mit Hochschulabsolventen besonders hervorzuheben. Diese können ja bereits heute bevorzugt kommen. Bisher haben Nicht-Akademiker nur dann eine Chance, wenn sie eine Stelle in einem sogenannten Engpassberuf nachweisen können. Diese Restriktion soll fallen und als Konsequenz hieraus auch die Vorrangprüfung, die derzeit noch abgleicht, ob für eine bestimmte Stelle ein Deutscher oder EU-Bürger infrage kommt. Diese beiden Neuerungen sind uneingeschränkt zu begrüßen. Sie entlasten Behörden und Einwanderer von unnötiger Bürokratie und versprechen Erleichterungen für jene Berufe unterhalb der Hochschulschwelle,  die vom Fachkräftemangel besonders betroffen sind. Dies gilt etwa für Industrieelektriker, Kraftfahrer, Logistiker oder Pflegekräfte. Ebenfalls positiv zu werten ist, qualifizierten Fachkräften auch ohne festen Arbeitsvertrag einen mehrmonatigen Aufenthalt zu erlauben. Noch nicht geklärt ist, wie lange dieser dauern darf. Da die Einreisenden in dieser Zeit ihre Qualifikation und Sprachkenntnisse nachweisen müssen und gleichzeitig eine Stelle finden sollen, darf die Frist nicht zu kurz sein.


Spurwechsel wagen – Integrationsanstrengungen honorieren

Bemerkenswerterweise steht im Eckpunktepapier auch der Satz, dass „die Potenziale der Personen mit Fluchthintergrund, die eine Beschäftigung ausüben dürfen, für unseren Arbeitsmarkt zu nutzen“ sind. Das klingt so, als ob die Bundesregierung sich ein Hintertürchen offen halten will, um doch noch einen Spurwechsel aus dem Asyl- in das spätere Zuwanderungsverfahren zu ermöglichen. Der Verweis auf „Personen mit Fluchthintergrund“ deutet jedenfalls darauf hin. Aus Sicht der Wirtschaft und der Betroffenenwäre eine solche Entscheidung gleich aus mehreren Gründen zu begrüßen. Erstens, weil es mit Blick auf das drängende Fachkräfteproblem ein Gebot der ökonomischen Vernunft ist. Denn die abzuschiebenden Mitarbeiter müssten durch anderweitige Fachkräfte ersetzt werden, was unter den gegebenen Bedingungen und in der Kürze der Zeit kaum möglich sein dürfte. Und wenn doch, dann nur mit zusätzlichen Kosten. Zweitens, weil viele Unternehmen in Fluchtmigranten investiert, ihnen Sprachkurse finanziert und Wohnungen besorgt haben. Dank dieser Hilfsbereitschaft konnten überall bei uns im Land vakante Jobs mit Fluchtmigranten besetzt werden. Sie jetzt abzuschieben käme einer Entwertung und Verhöhnung dieses unternehmerischen und zutiefst menschlichen Engagements gleich. Nicht zu unterschätzen ist drittens die psychologische Wirkung bei den Geflüchteten. Versetzen wir uns in ihre Lage: Sie haben Deutsch gelernt, sich in einer fremden Kultur eingelebt, verdienen ihren eigenen Lebensunterhalt und als Dank dafür heißt es: „Sorry, vor dem Gesetz zählt das alles nicht“. Gute Botschafter für unser Land werden solche Menschen sicher nicht mehr. Deshalb ist zu hoffen, dass die Bundesregierung noch den Mut findet und den Spurwechsel als einmaliges Angebot mit Stichtagslösung im Fachkräfteeinwanderungsgesetz unterbringt. Es wäre eine wirtschaftlich sinnvolle und höchst pragmatische Lösung für ein Problem, das uns ansonsten noch lange beschäftigen dürfte.