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Wie geht’s dem Saarland?

Im Blickpunkt
Von Heino Klingen

10.03.2017

„Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit.“
(Kurt Schumacher)


Ende des Monats wählen die Saarländerinnen und Saarländer einen neuen Landtag. Sie entscheiden mit ihrer Stimme darüber, ob die schwarz-rote Landesregierung ihre Arbeit fortsetzen kann oder ob eine andere Koalition künftig die Geschicke des Landes lenken soll. Doch wie auch immer die Wahl ausgeht – eines steht schon heute fest: Die neue Landesregierung übernimmt kein leichtes Erbe. Sie muss die Infrastruktur modernisieren und das Land zukunftsfähig machen, damit das Saarland im Wettbewerb der Regionen nicht abgehängt wird – und dies bei notorisch klammen Kassen und der Pflicht, die Schuldenbremse einzuhalten.

Die im vergangenen Jahr erreichte Einigung bei den Bund-Länder-Finanzen kommt ihr dabei ein Stück weit entgegen. Allerdings bleibt der Spagat zwischen Konsolidieren und Investieren auch in Zukunft schwierig. Zumal sich die Saarwirtschaft in den vergangenen Jahren eher verhalten entwickelt hat und derzeit kaum Anzeichen auszumachen sind, warum das in absehbarer Zeit anders werden sollte. Doch was ist schief gelaufen? Warum hinkt die Saarwirtschaft dem Bundestrend hinterher? Und was sollte die neue Landesregierung dagegen tun?

Nachlassende Exportdynamik, geringe öffentliche Investitionen und rückläufige Bevölkerung dämpfen das Wachstum an der Saar

Die Saarwirtschaft ist strukturell gut aufgestellt. Sie verfügt über eine starke industrielle Basis, wettbewerbsfähige Dienstleistungsunternehmen und eine ansprechende Handelslandschaft. Doch trotz dieser Trümpfe konnte sie in den zehn Jahren von 2006 bis 2015 dem Wachstumstempo im Bund nicht folgen. Dem bundesdeutschen Leistungsplus – gemessen am Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts – von1,4 Prozent pro Jahr stehen in dieser Zeit im Saarland gerade einmal 0,6 Prozent gegenüber. Nur in drei der zehn Jahre ist die Wirtschaft hierzulande stärker gewachsen als im Bund. Bei der Bruttowertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe klaffen ebenfalls Welten zwischen der Entwicklung im Bund und an der Saar; Bund: + 23 Prozent; Saarland: + 13 Prozent, jeweils in zehn Jahren.

Auch auf dem Arbeitsmarkt hinkt das Saarland hinterher: rund 17 Prozent zusätzliche Jobs seit 2005 im Bund, elf Prozent im Saarland. Rückgang der Arbeitslosigkeit: 38 Prozent im Bund, 26 Prozent im Saarland. Mit aktuell rund 380.000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen bewegt sich das Beschäftigungsniveau zwar auf Rekordniveau. Doch zur Wirklichkeit gehört auch, dass im Saarland Industriearbeitsplätze abgebaut wurden – allein im vergangenen Jahr waren es rund 500. Deutschlandweit kamen neue hinzu.

Das ist kein gutes Zeugnis für ein Land, das aufholen und im Wettbewerb der Länder seine Eigenständigkeit wahren will. Allerdings trifft die Politik – und im hier betrachteten Zeitraum wären gleich drei Landesregierungen angesprochen – die geringste Schuld. Denn zurückzuführen sind die Rückstände zum Bund vor allem auf exogene Faktoren, auf die die Landespolitik so gut wie keinen Einfluss hat.

Das gilt insbesondere für die weltwirtschaftliche Entwicklung, die längst nicht mehr so dynamisch verläuft wie in den Jahren unmittelbar nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Eingliederung des Ostblocks und Chinas in die Weltwirtschaft. Damals nahm der Welthandel jährlich mit Raten von sechs bis acht Prozent zu. Tempi passati. Seit der Weltwirtschafts- und Finanzkrise 2008/09 wächst das Volumen des Welthandels nur noch halb so stark. Und das ist die Crux der starken Exportorientierung unserer Industrie: Stockt der Welthandel, dann lähmt das die Saarindustrie. Kein Wunder: Schließlich macht sie – indirekte Exporte eingerechnet – rund 70 Prozent ihres Umsatzes im Ausland. Das war solange ein Plus, als es mehr gute als schlechte Jahre gab. Doch gute Jahre sind seltener geworden und manches spricht dafür, dass die guten Zeiten auch nicht so schnell wiederkommen.

Ein weiterer Faktor, der die Wachstumsbilanz der vergangenen zehn Jahre getrübt hat, ist der demografische Wandel. Im Saarland ist die Bevölkerung in der Zeit von 2006 bis 2015 um fünf Prozent geschrumpft. Das sind mehr als 52.000 Menschen, die als Konsumenten fehlen. Der private Konsum entwickelt sich deshalb an der Saar schon seit Jahren deutlich schwächer als im Bund, wo die Bevölkerung sogar leicht gewachsen und die Konsumlust inzwischen der stärkste Wachstumstreiber ist.

Und schließlich ist da noch die Investitionsschwäche der öffentlichen Hand. Im Saarland wird seit Jahren deutlich weniger in Straßen, Brücken, Schulen und Hochschulen investiert als in anderen Bundesländern. Seit 2005 hat sich dadurch im Vergleich zum Länderschnitt ein Investitionsstau von rund 1,2 Milliarden Euro gebildet. Diese Gelder fehlen in der Wachstumsbilanz des Landes. Und dabei sind noch nicht einmal die privaten Investitionen berücksichtigt, die von öffentlichen Infrastrukturmaßnahmen ausgelöst werden und die erfahrungsgemäß ein Vielfaches der Anstoßinvestition betragen.

Investitionsoffensive starten

Die ab 2020 gültige Besserstellung des Saarlandes im Bund-Länder-Finanzgeflecht ist eine gute Basis für eine Trendumkehr bei den Investitionen. Die neue Landesregierung sollte diese Chance nutzen und eine umfassende Investitionsoffensive mit klaren Prioritäten auf den Weg bringen. Ein solches Programm ist nicht nur zur Verringerung und Beseitigung des Investitionsstaus nötig, sondern auch um wieder mehr Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit des Saarlandes zu schaffen. Es setzte ein klares Signal: Ja, wir glauben an uns, es lohnt sich, in dieses Land zu investieren. Mehr Investitionen für ein attraktiveres Land sind deshalb auch das Mittel der Wahl, um den Bevölkerungsschwund zu stoppen – sei es durch mehr Zuwanderung von außen, weniger Abwanderung junger Menschen oder eine höhere Geburtenrate.

Fahrlässig und kontraproduktiv wäre es dagegen, wenn die ohnehin knapp bemessene Solidarhilfe nicht zur Stärkung der Wirtschaftskraft verwendet, sondern stattdessen sozialpolitischen Zielen untergeordnet würde. So ehren- und wünschenswert das im Einzelfall auch sein mag, der Zukunftsfähigkeit des Landes wäre damit nicht gedient. Im Gegenteil: das kostete Wachstum. Und das ist letztendlich das Kriterium, an dem sich alle Maßnahmen messen lassen müssen: Vergrößern sie den Kuchen oder nicht.